DAS DIRNDL – ODER DOCH DIE DIRNDL?

Veröffentlicht von: am 30. März 2012

Von Trachten und Früchten.

Der Begriff „Dirndl“ steht in Österreich gleich für mehrere Dinge. Da wäre zum einen das Dirndl als Bezeichnung für ein junges Mädchen, das schmucke Kleid aber auch für köstliche Früchte. Doch eines nach dem anderen. Das junge Mädchen muss man denk ich nicht genauer erklären, also wenden wir uns gleich dem Dirndlkleid zu. Und in dem steckt ja oft auch ein hübsches solches …

Das Dirndl

Bodenständig, natürlich und sehr weiblich. Diese Attribute werden dem Dirndl zugeschrieben. Die Entwicklung vom bäuerlichen Arbeitskleid mit laszivem Charakter zur kultivierten Tracht begann um 1870, als das Dirndl aus der bäuerlichen Unterkleidung entstand. Das Arbeitskleid des Bauernmädchens wurde von Sommerfrischlerinnen aufgegriffen und als Dirndl das typische Kleid der Österreicherinnen.

Man verband mit Tracht und Jagdgewand nicht nur ländliches Leben, sondern auch aristokratisch-nobles. Als Salondirndl oder Salontrachtenanzug eroberten sie die Ballsäle.

Das Dirndl  galt als Veranschaulichung der heilen Welt, man verband bzw. verbindet es mit schönen Berglandschaften, alpenländischer Unbeschwertheit, bodenständiger Gemütlichkeit und einer Art Heidi-Idylle. Kein Wunder also, dass das Dirndl in einer großen Anzahl von österreichischen und deutschen Heimat- und Bergfilmen eine Hauptrolle spielt. Emanzipiert getragen von Wally Stromminger vulgo Geierwally im Kampf gegen Konventionen und für die große Liebe zu ihrem Bärenjoseph, unschuldig als Christel von der Post oder auch im Förster vom Silberwald.

 

(K)nackige Sennerinnen

Neben den Heimatfilmen boomte in den 70er Jahren ein weiteres Filmgenre, in dem das Dirndl (und die Lederhose) bedeutend war – der Lederhosenfilm. Alpenländische Sündhaftigkeit und derbe Erotik waren Thema in diesen meist im bäuerlichen Milieu spielenden und erfolgreichen Billigproduktionen. Da hängt der Förster seine Büchse an den Nagel und wildert in schlafzimmerlichen Revieren neben schneebedeckten Alpengipfeln, wild begehrt von knackigen Sennerinnen. Allein die plakativen Titel der Filme ließen keine Überraschungen über. Sie reichen von „Ach jodel mir noch einen“ bis hin zu  „Liebesgrüße aus der Lederhose“. Es verwundert also kaum, dass so manches modische Dirndl von heute mehr sündhaft denn traditionell erscheint, wo doch so viel filmisch-sündhafte Erinnerung durch unser Gedächtnis geistert.

Das traditionelle Dirndlkleid ist knöchellang und besteht aus einem Rock, einem Mieder und einer Schürze. Darunter wird eine weiße Dirndlbluse mit schmalen oder puffigen Ärmeln getragen. Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich beim Dirndl um eine Emanzipationserscheinung, war es doch früher nicht mehr als ein Leibröckchen und bekannt als Stallgewand. Dem Leibröckchen haftete der Beigeschmack des nicht ganz Seriösen an, der Armut und des nicht Standesgemäßen.

Je nach Anlass wird ein Dirndl heute aus einfärbigen oder bedruckten Baumwoll-, Leinen- oder Seidenstoffen gefertigt, meist einteilig mit einem an der vorderen Mitte sitzenden Verschluss aus Haken oder Knöpfen und einer seitlich eingearbeiteten Tasche. Dazu trägt man eine meist weiße Dirndlbluse, eine Schürze, Trachtenstrümpfe und je nach  Brauch ein seidenes Schultertuch. Ein perfektes Mieder und somit ein beeindruckendes Dekolleté wie wir es heute kennen, war nicht von Anfang an gegeben. Erst in den 50er Jahren wurde das Mieder des Dirndls individuell angepasst. Auch der passende, in den 50er Jahren weiterentwickelte Büstenhalter und ein porzellanhafter Teint machen das Dirndl perfekt. Die heute bekannten Dirndl wurden zwar durch regionale Trachten geprägt, haben aber oftmals keinen bestimmten regionalen Bezug mehr.

 

Wissenswertes für Schürzenjäger

Laut Überlieferungen symbolisiert die Schleife den ehelichen Status der Trägerin. Ist die Schürze vorne in der Mitte gebunden bedeutet dies Jungfräulichkeit, in der Mitte der Rückseite hingegen Witwe. Trägt das Dirndl die Schleife ihrer Schürze vorne rechts, ist sie in festen Händen. Ist sie auf der linken Seite vorne geschlossen, ist sie zur Freude vieler Burschen noch zu haben.

 

Die Dirndln

Wir kennen nun die Dirndln, die schönen alpenländischen Mädchen, und das Dirndl als Kleid. Neben diesen beiden Begriffen begegnen wir den Dirndln aber nochmals – als Synonym für die Kornellkirsche. Bereits Hildegard von Bingen wusste um die heilende Wirkung der Dirndln Bescheid. So dienten sie als Bad gegen die Gicht oder als Reinigung des Magen-Darm-Bereichs. Heute noch gilt die Dirndl-Frucht als Olive des Nordens und wächst im österreichischen Pielachtal im Mostviertel, auch Dirndltal genannt, wo sie zu regionalen Spezialitäten verarbeitet wird. Diese rote Wildfrucht mit ihrer Produktvielfalt gehört zur Region wie keine Zweite! Der Wärme liebende Dirndlstrauch bevölkert die Südhänge des Tales und ist ein prägendes Element der vielfältigen und lebendigen Kulturlandschaft der Gegend.

Die Dirndln, „Kornellkirsche“ oder „Gelber Hartriegel“ wie in botanischen Bestimmungsbüchern genannt, sind jedoch mehr als nur schön, auch wenn ihnen die Öffentlichkeit wenig Beachtung schenkt. Die Pielachtaler selbst, die ihn liebevoll „Dirndlstaudn“ nennen, kennen ihn besser. Hier hat die Nutzung der Dirndln jahrhundertelange Tradition. Wenn man aufmerksam durchs Tal geht, sieht man oft sehr alte „Dirndlbäume“. Die Pielachtaler Bauern und Bäuerinnen pflegen und erhalten sie seit vielen Generationen. Eine Dirndlstaude wird nicht gefällt, sie genießt hohe Wertschätzung.

Im Frühjahr sind die kleinen, intensiv gelb gefärbten Blüten eine der ersten Nektarquellen für blütenbesuchende Insekten. Die länglich ovalen Früchte färben sich ab Mitte August je nach Sorte korallenrot bis fast schwarz. Sie sind reich an Vitamin C und schmecken saftig-säuerlich.
Die Reifezeit streckt sich über sechs Wochen, alle drei bis vier Tage muss geerntet werden. Und zwar die wie Oliven mittels am Boden aufgebreiteten Netzen und per Hand. So vielfältig wie die natürlichen Sorten sind auch die Nutzungsmöglichkeiten. Dirndln werden zu Marmeladen, Saft und Wein, vor allem aber zu hervorragenden Likören und Edelbränden verarbeitet.
Die Pielachtaler Edelbrandgemeinschaft hat die Dirndl zu ihrem besonderen Liebling erklärt. Ihr ist es gelungen, dass der „Original Pielachtaler Dirndlbrand“ österreichweit als geschützte Marke gilt. Somit sind Dirndl nicht nur was für’s Auge, sondern wohl auch was für den Magen.