Gasthaus mit Nostalgie -charakter

Veröffentlicht von: am 31. August 2010

Das Gasthaus Obiditsch in der Villacher Gerbergasse

Beehre mich, Euer Wohlgeboren, zu dem am Donnerstag, den 4. und Freitag, den 5. Februar ab 7 Uhr abends in der Gastwirtschaft Obiditisch, Gerbergasse 16 stattfindenden Bauernschmaus höflichst einzuladen. Für vorzügliche Getränke und aufmerksame Bedienung ist bestens gesorgt. Um Ihren geschätzten Besuch ersucht höflichst die Gastgeberin: Antonie Obiditsch.

Diese aus den 20er Jahren stammende Einladung zum Bauernschmaus im Gasthaus Obiditsch spiegelt die geschichtsträchtige Vergangenheit eines der ältesten noch bestehenden Gasthäuser von Villach wider. So kann es leicht passieren, dass man sich beim Betreten des Gasthauses sehr schnell in vergangene Zeiten zurückversetzt fühlt. Denn beim „Obiditsch“ hat sich seit über 100 Jahren kaum etwas verändert. Schwere Tische, massive, knarrende Holzstühle, überall dunkles Holz, eine einfache Theke  und natürlich dieser unverkennbare Wirtshausgeruch, den das Holz über Jahrzehnte aufgesaugt hat, machen diesen Ort zu etwas Besonderem.

Ein Rückblick

Obwohl die Entstehungsgeschichte des Gasthauses sehr weit zurück-reicht, soll ein kurzer Rückblick auf die Gründung nicht unversucht bleiben. Interessanterweise hat diese nicht, wie man vermuten würde, am jetzigen Standort des Gasthauses ihren Ursprung, sondern in der Gerbergasse 6. So wurde nach dem Ableben einer gewissen Katharina Odrei die frei gewordene Kaffeeschankkonzession vom Gerwerbeausschuss im April 1901 an Katharina Obiditsch übergeben. Noch in diesem Jahr kam die Genehmigung für den zusätzlichen Ausschank von Rum dazu. Im Jahre 1910 verlegt Katharina Obiditsch ihren Kaffee- und Teeausschank von der Gerbergasse 6 in ihr neu errichtetes Haus in der Gerbergasse 16 und damit an jene Adresse, die heute noch ihre Gültigkeit besitzt. 1915 wird Antonia Obiditsch zur Kaffeehaus-Konzession auch die Wirtskonzession übertragen. Ruhestörung hat es scheinbar auch schon damals gegeben. So findet sich in alten Unterlagen folgender Vermerk: „Am 5.4.1914 stört ein Ziehharmonikaspieler vor dem Kaffeeschank die nächtliche Ruhe.“ Ab 1964 führen Hermann und Antonia Obiditsch das Gasthaus, um es schließlich 1983 an Hermann und Margot Obiditsch zu übergeben, die bis heute mit viel Liebe die Gastwirtschaft betreiben.

Kirchtog is

Verspürt man um 6 Uhr in der Früh aus der Küche des Gasthauses Obiditsch frischen Schweinsbratenduft, weiß man, es ist Kirchtagszeit. Zeitig am Morgen werden in der urigen Küche des Gasthauses verschiedene Köstlichkeiten vorbereitet. Die berühmte Villacher Kirchtagssuppe brodelt in schweren Töpfen über dem Feuer. Mit großen Kochlöffeln werden verschiedene geheime Zutaten in die Suppe eingerührt und immer wieder wird die deftige Köstlichkeit vom Wirt persönlich verkostet. Aus dem Backrohr duftet frischer Reindling, der nach alter Kärntner Tradition zur Kirchtagssuppe gegessen wird. Mühsam ist es, die drei verschiedenen Sorten Fleisch, die für die Herstellung der Basissuppe gebraucht werden, nach dem Kochen in kleine mundgerechte Stückchen zu schneiden. Diese werden vor dem Servieren je nach Wunsch der Kirchtagssuppe beigemengt. Beim Obiditsch kann man die Suppe auch mit Nudeln essen. Wenn wir schon beim Thema Kulinarik sind, sollten hier noch zwei Köstlichkeiten  vom Obiditsch erwähnt werden. Zum einen das ausgezeichnete, von der Chefin hauchdünn geklopfte Wiener Schnitzel und zum anderen die handgemachten Kärntner Kas- und Erdäpfelnudeln.

Unterhaltungskultur beim Obiditsch
Je nachdem, um welche Uhrzeit und zu welcher Jahreszeit man das Gasthaus Obiditsch besucht, variieren die Gesprächsinhalte. Die Themen können banal, aber auch hochwissenschaftlich und anspruchsvoll sein. Hier wird diskutiert, „Schmäh geführt“ und zu später Stunde mitunter philosophiert.  Gehört dem Sommer immer mehr das Thema Kunst, gewinnt mit sinkenden Temperaturen das Thema Eishockey an Boden. Vor den Spielen trifft man sich  hier noch schnell auf ein Beruhigungsbier und bespricht taktische Spielzüge. Am Tag nach dem Spiel wird beim Obiditsch jeder einzelne Spieler, der Trainer und der Schiedsrichter penibel analysiert.  Wie bereits erwähnt, spielte das Thema Kunst  beim Obiditsch schon immer eine bedeutende Rolle. So mancher Kreative gönnte sich hier eine Pause, um danach seine künstlerische Arbeit fortzusetzen. Während der Aktion „Gemma Kunst schaun“ war der Obiditsch als Schauraum für Kunstwerke sehr beliebt. Es muss wohl die ungewöhnliche Kombination von Traditionsgasthaus und hoher Kunst sein, die Einen gefangen nimmt. Die einfachen Räumlichkeiten, gepaart mit den besonderen Ausstellungsstücken, lassen den Besucher in eine andere Zeit eintauchen, in der er  frei von der heutigen Schnelllebigkeit und ohne  Störung die Kunstwerke auf sich wirken lassen kann. Letztendlich muss hier noch gesagt werden, dass beim Obiditsch natürlich auch politisiert wird. Und so soll an dieser Stelle noch folgende Weisheit verkündet werden: „Ein guter Politiker muss viele Wirte als Freunde haben, denn ein Wirt weiß, was das Volk denkt.“ Am 31.12. 2009 wird der Rollladen vom Obiditsch das letzte Mal nach oben gezogen und danach für immer geschlossen – der wohlverdiente Ruhestand ruft!  Jede Tradition hat einmal ihr Ende.